Freitag, 27. Mai 2016

Etappenziel Shymkent erreicht

Fr. 27.05.2016        95. Tourtag ab Brest/Bretagne

GPS: 42.3150    69.6100   Shymkent

gefahrene Kilometer:  57       HM: 205 m

Km ab Brest:  8.021 Km    ab Berlin:  5.780 Km


Einen Tag früher als ursprünglich geplant erreiche ich am heutigen Vormittag mein Etappenziel Shymkent - eine Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohnern nahe der usbekischen Grenze.



So. 29. 05.  Auch wenn heute Sonntag ist. Alle Geschäfte haben geöffnet. Nach einem englischen Frühstück begebe ich mich zum einzigen Fahrradladen in der Nähe und erhalte tatsächlich kostenlos diese Transportkiste für das Rad. Sieben Kilometer weiter werde ich mit Hilfe eines Einheimischen auf einem großen Basar fündig. Für ein paar Euro erstehe ich diese große Rolle Verpackungsmaterial, die hoffentlich mein Rad zusätzlich schützen wird.

Inzwischen ist das Rad komplett demontiert ( Vorderrad weg, Low-Rider weg, Lenker seitlich längs befestigt, Sattel entfernt und die Pedale abgenommen. ) und in der Kiste verstaut. Lediglich zehn Zentimeter des vorderen Schutzblechs schauen hervor, da die Kiste etwas zu kurz war. Auch all meine anderen Gegenstände und Packtaschen sind inzwischen im mitgebrachten Türkenkoffer verstaut.

Eigentlich bin ich startklar.... freue mich auf den Heimflug am Dienstag.


 

Übrigens residiere ich die letzten Tage in einem 4-Sterne-Hotel in ruhiger Lage elf Kilometer entfernt vom Airport.




Ich bin derzeit Besitzer einer 50 Quadratmeter großen Suite. Alles vom Feinsten. Auch das kann man sich mal gönnen, wenn man so viele Nächte im Zelt verbracht und dabei der Kälte und den Moskitos getrotzt hat.
 
Dass ich schon heute diese Stadt auf 500 Metern Höhe erreiche liegt u.a. daran, dass sich die M32 auf kasachischer Seite seit rund einem Jahr in einem hervorragenden Zustand befindet.
Auch benötigte ich den für Kasachstan vorgesehenen Zeitpuffer nicht. Lediglich eine leichte Erkältung war in der letzten Woche Anlass dafür, etwas gemächlicher in die Pedale zu treten.
Mein Stevens Camino R14 überzeugte auch auf dieser Tour. Nachdem ich schon vergangenes Jahr in Südamerika pannenfrei über die Runden gekommen bin, konnte ich nun auch die Strecke von Brest/Bretagne bis hierher nach Shymkent völlig problemlos zurücklegen.
 
 
Auf dem Weg nach Shymkent treffe ich nochmals Sören und Martin, die nun Kirgistan anvisieren. Wir radeln erneut einen Tag gemeinsam und verbringen hier irgendwo inmitten der Steppe die Nacht zum 25. Mai.

Übernachtungspunkte:

Mo. 23.05.   44.1979    66.7245  Ort: Shieli ; Hotelzimmer
gefahrene Km:  129      HM: 60 m

Di. 24.05.    43.8526    67.7037    Zelten in der Steppe
gefahrene km:  83         HM:  55 m

Mi. 25.05.    43.2998    68.2600   Hotelzimmer
gefahrene Km:  100       HM:  50 m

Do. 26.05.     42.6717    69.2406   Zelten auf Wiese abseits M32
gefahrene km:  120        HM: 190 m
 
 
...genießen die unendliche Weite der kasachischen Steppe und den Sonnenuntergang um genau 21:00 Uhr.
 
 
....und nehmen jetzt endgültig Abschied voneinander.
 
Übrigens - rechts auf dieser Aufnahme ist ein junger Engländer (20 Jahre alt) zu sehen. Er hat sich für ein paar Tage den beiden angeschlossen.
 
Seit vierzehn Monaten befindet er sich mit seinem Einrad (!) auf Weltreise und hat inzwischen schon 10.000 Km zurückgelegt. Auf ebener Strecke schafft auch er gut 100 Km am Tag. Und sein Gepäck incl. Zelt führt er am Einrad stets bei sich.
Noch rund zwei Jahre will er so durch die Welt radeln. Ich würde auch ohne Gepäck keine zehn Meter mit so einem radamputierten Vehikel kommen, ohne abzustürzen.
 








 
 
Was das Wetter angeht, so hatten wir seit Mitte März wohl viel Glück. Kaum Regen. Dafür in Polen mehrfach Nachttemperaturen bis minus sechs Grad und jetzt hier im Süden Kasachstans geht die Quecksilbersäule hoch bis 34 Grad im Schatten.
 
Am kommenden Dienstag fliege ich wieder zurück nach Frankfurt. Im Gepäck erneut viel bleibende,  durchweg positive Eindrücke.
Besonders überrascht war ich von der großen Freundlichkeit der kasachischen Bevölkerung.


Jetzt - nachdem ich auch diese Etappe geradelt bin - denke ich, dass ich das  das Beste aus meiner gegenwärtigen Situation gemacht habe.

Waldenström ist für mich heute eine absolute Bereicherung. Ich glaube, es ist für mich  wichtig, auch die positiven Aspekte der Krankheit zu erkennen und in den Vordergrund zu stellen.
 
Ohne Waldenström wäre mein Leben möglicherweise nicht so  spannend verlaufen. Wahrscheinlich wäre ich niemals hierher nach Zentralasien gekommen, hätte niemals eine der höchsten Passstraßen der Erde mit dem Rad befahren und hätte niemals die überwältigende  Freundlichkeit der Menschen erfahren, die mir      auf   den Radtouren in aller Welt begegnen. Auch hätte es wohl niemals Bücher gegeben, die über mein Leben mit dieser unheilvollen Krankheit berichten.

Das Leben ist relativ kurz. Entscheidend ist nicht, ob man 60, 80 oder 100 Jahre alt wird.

Entscheidend ist eher das, was man aus der verbleibenden Zeit macht.




 

Inzwischen habe ich Europa durchquert und bin in Asien hineingeradelt. 
8021 Kilometer liegen schon hinter mir. Während dieser Zeit habe ich 64 Nächte im Zelt verbracht und bin 34 mal im Hotel / Pension gewesen. Davon zwei in Danzig und vier Übernachtungen in Moskau nahe des Kreml.

Was kostet die Welt ?

Wenn man die Ausrüstung hat, dann ist einer solche Langzeit-Radreise ausgesprochen günstig.

Hier eine knappe Auflistung aller bisherigen Ausgaben:


- Fahrt mit dem TGV von Straßburg nach Brest                   80 Euro

- ICE Berlin - Bruchsal - Berlin                                            64 Euro

- Krankenversicherung Ausland                                           90 Euro

- Visa Russland, Kasachstan                                              180 Euro

- Rückflug Shymkent - Frankfurt incl. Rad                       480 Euro

- Übernachtungen, Essen, Trinken u. sonstiges               1.550 Euro


Gesamtausgaben für 99 Tourtage etwa                           2.500 Euro

Umgelegt auf den Tag belaufen sich demnach die Ausgaben auf rund 25 Euro.  ( Zu Hause benötigt man oft mehr )

Das Leben für uns Mitteleuropäer ist in Russland und Kasachstan extrem günstig. So bezahle ich für ein Mittagessen im Schnitt 3 - 5 Euro. Das Frühstück z. B. ( ein Fladenbrot, 3 Eier, eine Tasse Kaffee ein Liter Cola kostete mich diese Woche nur 2 Euro ).

Mir blutet jedes Mal das Herz, wenn ich mit dem Reiserad an einer Tankstelle vorbeifahre und kann bei Dieselpreisen von  99 Tenge
( ungerechnet 0,28 Eurocent ) nicht tanken.

Für Kasachen hingegen ist das Leben eher teuer. Der durchschnittliche Monatslohn liegt bei umgerechnet 500 Euro.





Das Mausoleum in Turkestan - Weltkulturerbe.
 
Unzählige Male gegrüßt, die Hände geschüttelt und zum Foto-Stopp angehalten.
 
Und trotzdem - nun freue ich mich wieder auf zuhause:
Auf meine Frau, die wieder mal so lange ohne mich auskommen musste, auf meinen Sohn und dessen Freundin sowie auf alle Freunde, die mich mit ihren guten Wünschen während der Tour begleitet haben.

Die bisherigen Etappen der Eurasia-Cycling-Tour:

I. Etappe:  28.09. - 11.10.15  Brest/Bretagne - Bruchsal  1.481 Km

II.          :   15.02. - 21.02.16  Bruchsal - Berlin                  760 Km

III.        :    14.03. - 31.05.16  Berlin  -  Shymkent          5.780 Km

IV.   wohl ab Shymkent über Usbekistan, Tadschikistan und den Pamir-Highway nach Kirgistan.  Wann ?  2017 - sofern mich Waldenström weiter verschont.

Ich freue mich, wenn Sie mich auch auf der nächsten Etappe virtuell begleiten würden.

Oder - besser noch:  Radeln Sie doch ganz einfach mit.