Montag, 25. April 2016

Härtetest

Mo. 25.04.2016              63. Tourtag ab Brest/Bretagne

Standort:  54.2757   48.3360              Hotel in Ulyanovsk an der Wolga

gefahrene Kilometer:  114 Km     HM:  450 m

Kilometer ab Brest:  5.464 Km       ab Berlin: 3.223 Km




Die letzte Nacht verbringen wir irgendwo oberhalb der Landstraße  nicht einsehbar auf eine ebenen Wiese.

So. 24.04.     62. Tourtag
GPS: 54.4441         46.7839
gefahrene Km:  105        HM: 720 m !


Bisher hatten wir während dem Fahren meist günstige Windverhältnisse.  Doch als am Morgen um sechs der Wecker läutet, merke ich, dass der Wind gedreht hat und aus Osten bläst.
Und genau dort wollen wir hin.

( Russland hat die Sommerzeit nicht eingeführt. Derzeit wird es hier schon morgens um vier Uhr allmählich hell. Die Sonne geht um fünf auf. Erst in Samara fahren wir in die nächste Zeitzone hinein. )

Als wir um 7:15 Uhr starten, wissen wir, dass uns ein hartes Stück Arbeit bevorsteht.  Wir haben den Eindruck, als hätte jemand ein starkes Gebläse angestellt, das und permanent ins Gesicht bläst.

Der Wind peitscht den Sand über die Straße. Vor uns liegen heute mehr als 100 Km. Kürzlich wog ich mein Gepäck: 35 Kg plus 16 Kg Rad müssen nun gegen die Ostwinde in Bewegung gesetzt werden.

Deshalb wechseln wir uns ganztägig alle fünf Kilometer mit der Führungsarbeit ab und nach jeweils 20 Kilometer erfolgt eine Pause. Teamarbeit ist heute gefragt, damit wir abends unser gebuchtes Hotel in der Stadt Ulyanovsk erreichen.

Für den, der gerade die Führungsarbeit leistet, werden die fünf Kilometer zur Ewigkeit. Für den anderen, der im Windschatten mitfährt, verfliegt die Zeit bis zum Wechsel im Flug.  Hinzu kommt eine gut zehn Kilometer lange Baustelle, auf der wir zeitweise auf eine Schotterpiste ausweichen müssen.

Die Belohnung erfolgt am Abend im Hotel Kleopatra.

Wir haben eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern und ein tolles Bad. Alles vom feinsten uns sehr sauber.
Dieses Hotel können wir mit gutem Gewissen empfehlen.

                                                    Dusche incl. Musik        




Morgen gibt es einen mehr als verdienten Ruhetag. Dann fahren wir in drei Etappen nach Samara, der letzten großen Stadt vor der kasachischen Grenze. Auch dort werden wir drei Nächte verbringen, weil wir unseren für Russland eingeplanten Zeitpuffer bislang nicht benötigt haben.

Wir hatten noch keine Panne. Auch waren wir noch nicht krank. Keine Knieprobleme, keine Erkältung.

Eigentlich wundert es mich schon etwas, dass ich trotz meiner Waldenström-Erkrankung absolut fit bin.
Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir Nachttemperaturen bis minus sechs Grad hatten, die Temperaturen innerhalb von 24 Std. bis zu 20 Grad schwankten, wir häufig bei Minustemperaturen unsere Tagesetappen starteten und doch einige Male bei nasskaltem Wetter unterwegs gewesen sind.


Der Wille zählt


Nachdem ich viele Jahre meine nicht heilbare Leukämie- bzw. Lymphomerkrankung verdrängt hatte und nur mit Glück die Intensivstation überstand,  freue ich mich über jeden Tag, den ich mit einem guten Maß an Lebensqualität erleben darf.

 
 
Um immer wieder aufzustehen, brauchst du einen unbändigen Willen. Du musst dir tagtäglich Ziele setzen - zunächst die kleinen.
Sei es auch nur der Spaziergang  im Park der Klinik, den du immer weiter ausdehnst. Irgendwann ignorierst du den Fahrstuhl und quälst dich zu Fuß die vier Stockwerke hoch in dein Zimmer. Und wenn du schließlich oben erschöpft ankommt, bist du doch stolz, es geschafft zu haben.
 
All diese Erfahrungen habe auch ich gemacht und weiß nun, dass ich stark genug bin, gegen Waldenström anzukämpfen.
 
Schon lange verlasse ich mich nicht nur auf die Blutwerte, die in der Klinik ermittelt werden, sondern möchte durch die Extremradtouren in aller Welt selbst ein Gefühl dafür bekommen, wie es um meine Gesundheit tatsächlich bestellt ist.
 
Es mag paradox klingen, aber für mich ist Waldenström inzwischen weniger eine Bedrohung, sondern eher zu  einer Bereicherung meines Alltag geworden.
Vielleicht eine Frage des positiven Denkens - bestimmt!
 
Aber es ist gewiss ein langer, beschwerlicher Weg, der zu gehen ist, bis sich eine solche Erkenntnis einstellt.
 
Auch dafür fahre ich und schreibe für dich  diesen Blog.