Montag, 25. April 2016

Neunzig nervige Minuten

Sa. 23.04.2016                61.Tourtag ab Brest / Bretagne

Standort:  54.2464      45.3231  Hotel nahe Saransk

gefahrene Kilometer:  110 Km    HM: 510 m

Kilometer gesamt ab Brest:  5.245 Km     ab Berlin:  3004 Km


Willst du nach Russland, benötigst du ein Visum. So weit, so gut.
In der Regel wird das Touristenvisum für dreißig Tage ausgestellt. Diesen Zeitraum darfst du auf keinen Fall überschreiten.
Sonst kommst du in Teufels Küche.
Da ich ein Geschäftsvisum für 90 Tage habe, wird mir das Zeitlimit  diesbezüglich keine Probleme bereiten.
 
Ärger bereitet uns aber schon jetzt das leidige Problem mit der Migrationskarte, die jeder Ausländer mit der Einreise nach Russland erhält. 
Du hast nach der Einreise exakt sieben Werktage Zeit, dich zu registrieren. Dazu benötigst du den Pass und  eben diese Karte.
In der Regel übernehmen autorisierte Hotels, in denen du übernachtest, diese lästige bürokratische Hürde. Diese Registrierung erfolgte bei uns im Hotel Privet in Moskau.
Ist das geschehen, darfst du dich frei in Russland bewegen. Bis heute wurden wir nicht einmal aufgefordert, uns auszuweisen, obwohl es doch immer wieder Polizeikontrollen auf den Straßen gibt.
 
Eine weitere Registrierung ist nach unseren Informationen erst dann notwendig, wenn du mindestens sieben Tage in einer anderen Stadt weilst.
 
Und nun geraten wir beim Einchecken in einem Saransker Hotel an eine  ausgesprochen penible Dame, die uns leider eine ganz eigenwillige Auslegung der Registrierungspflicht im gut verständlichen Russisch suggerieren möchte.
 
 
Noch immer ein Lächeln auf den Lippen...auch nach einstündiger Diskussion, die uns keinen Schritt weiter brachte.

Das Zimmer hatten wir zuvor online über ein Hotel-Portal gebucht und freuten uns schon nach einer 100 Kilometer langen Tagesetappe auf ein gemütliches Zimmer und eine warme Dusche.
 
 
Als sie unsere Papiere sah, meinte sie, wir hätten uns spätestens sieben Tage nach der Abreise aus Moskau neu registrieren müssen. Das haben wir jedoch nicht. Uns würde damit eine Strafe in Höhe von 40.000 Rubel  ( ca. 600 Euro ) blühen.
Gleichzeitig rief sie Gott und die Welt an. Irgendwann kam auch Sören in den Genuss des Telefonhörers und hatte einen Mitarbeiter des Hotel-Portals am Apparat. Sören schilderte unsere Situation und unsere Auffassung der Registrierungsregeln.
 
Und diese sieht so aus:  Wenn wir ständig reisen und nur ein oder zwei Tage an einem Ort verbringen, dann reicht eine einmalige Registrierung ( und die haben wir ja ).
 
Der Mitarbeiter des Portals sprach anschließend mit der Dame, die aber unbeirrt an ihrer Überzeugung festhielt. Irgendwann schrieb sie ein Wort in den Computer und zeigte mir die Übersetzung ins Deutsche. Da stand zu lesen "Augenblicklich".  Gleichzeitig zeigte sie unmissverständlich zur Tür.
Als wir nach fast eineinhalb  nervigen Stunden müde das Weite suchen wollten, meinte die nette Dame, ich könne doch bleiben und legte mir den Zimmerschlüssel auf den Tisch. Sören jedoch müsse gehen, weil auf der Hotelrechnung des Moskauer Hotels nur mein Name aufgeführt war.  An dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass wir uns beide im Hotel eine Meldebescheinigung für je drei Euro hatten ausstellen lassen.
 
Wir bedankten uns freundlich bei der netten Dame für ihr Verständnis und ihre Mühe, verließen schnurstracks das Hotel und auch die Stadt Saransk. Inzwischen dämmerte es, als wir nach etwa zehn Kilometern ein anderes Hotel rechts der Straße entdeckten.
 
Das Einchecken war dieses Mal kein Problem. Die Migrationskarte interessiert nur beiläufig und wir erhielten ein Zimmer mit zwei Betten. Preis umgerechnet 9 Euro pro Person.
Dass im Bad unter dem Spiegel das Waschbecken fehlte und die Wasserspülung der Toilette  nur sporadisch funktionierte, machte uns heute wirklich nichts mehr aus.
Spätestens in Russland bekommst du ganz schnell ein dickes Fell.
 
Nach dem Duschen ging es in die darunter liegende Wirtschaft.
Bei einem guten Beef Stroganoff und mit ein paar Bierchen spülten wir unseren Ärger runter.
 
Es lebe die Bürokratie.
 



Und zum Thema "Bürokratismus-Wahn" noch etwas zum Schmunzeln:

Zumindest können wir jetzt mit zeitlichem Abstand schon wieder darüber lachen....

Hier die Millionen-Frage von "Wer wird Millionär"

Wie viele Seiten hat ein deutscher Reisepass ?


Zugegeben - wussten wir auch nicht.... bis wir nach unserer Einreise nach Russland im ersten Hotel übernachten wollten.

Während Sören draußen bei den Fahrrädern wartete, wollte ich uns an der Rezeption anmelden. Die freundliche Dame verlangte wie es sich gehört meine Dokumente..... u.a. den Pass.
Dann öffnete sie diesen und hob den Deckel des Mini-Kopierers. Nach gefühlten 30 Sekunden war dann endlich eine Kopie erstellt. Dann schlug sie die nächste Seite auf und kopierte....und die übernächste. Ich wurde schon ganz ungeduldig, war ich doch von der langen Tagesetappe auf der M9 müde und verschwitzt.
Es konnte ja nicht mehr lange dauern, denn so viele bedruckte Seiten, die von irgendeiner Relevanz sind, hat ein Pass ja nicht.
Aber die freundliche Dame hatte wohl am Kopieren Gefallen gefunden. Der Mini-Kopierer kopierte auch ohne zu murren anstandslos alle Blankoseiten...also auch die, die gar nicht bedruckt waren.
Nach einer gefühlten Ewigkeit - der Kopierer war inzwischen heiß gelaufen - bekam ich meinen Pass mit einen freundlichen Lachen zurück.
Genervt ging ich zur Eingangstür und rief Sören zu, wir können nun endlich ins Zimmer.
Sie wissen schon, was jetzt kommt. 
Der Kopierer nahm erneut seine sinnlose Tätigkeit auf, denn auch Sörens Pass hatte 32 Seiten .....darunter viele, viele leere, unbedruckte.

Ich weiß nicht, wer mir am Ende mehr leid tat.

Die gute Dame am Empfang,  die wohl auch nur ihre Vorschriften befolgt......oder der Mini-Kopierer, der auf der Ziellinie erste besorgniserregende Geräusche mentaler Erschöpfung von sich gab.

Als wir schließlich unsere Pässe wieder in Händen hielten - draußen war es inzwischen dunkel geworden - bedankten wir uns artig für die erste Lektion in Sachen Bürokratie.